Kalenderin 2023

Karla Mohr

Fotografin

Seit 2003 arbeite ich als Fotografin in Chemnitz, liebe die Arbeit mit Frauen und die, dieser Arbeit innewohnende Schwesternschaft, ihre Energie und Achtsamkeit.Ich bin Karla Mohr – „mohrfeeling“.
Die Anregung für das vorliegende Kalenderprojekt war ein Dokumentarfilm von Beate Kunath „Hurra, es ist ein Mädchen!“Davon inspiriert habe ich gemeinsam mit Pia Hamann das Projekt „Von Frau zu Frau“ (Projekt-Arbeitstitel) für eine Sichtbarkeit Chemnitzer Frauen der letzten 100 Jahre und ihrer „Erbinnen“ in der heutigen Chemnitzer Kulturszene ins Leben gerufen. Im September 2020 beantragte ich eine Mikroprojektförderung, die auch bewilligt wurde. Und dann kam das Leben dazwischen.
Ursprünglich war ein Runder Tisch geplant, an dem wir in gemeinsamen Gesprächen wachsen und uns gegenseitig beflügeln wollten. Diese Arbeitsweise war bekanntlich längere Zeit nicht möglich. Die Zeit verstrich, die Projektvision veränderte sich, verschwand ganz, kam wieder. In der ersten Vision hatte ich vor, die 12 Kandidatinnen in Kleidung und Maske ihrer jeweilige Patin an aktuellen Plätzen zeitgemäss zu inszenieren.
Mit der während des Prozesses der letzten beiden Jahre entstandenen Variante fühle ich mich deutlich wohler, denn: Sie spiegelt authentischer meinen Arbeitsstil wider, meine Art, Frauen zu sehen.
Ich habe bewusst auf künstliches Licht verzichtet, wollte damit die Art der Bilder der großen Zeitspanne zwischen gestern und heute anpassen. Aus diesem Grunde auch die Schwarz-Weiß-Variante. Ich will einerseits an die Chemnitzer Frauen von Gestern erinnern, andererseits aber auch die Frau im Heute sichtbar(er) machen. Die feinen, jedoch spürbaren Verbindungen zwischen beiden Zeitepochenzu zeigen, war eine Herausforderung: Weder wollte ich so sichtbar interpretieren, dass kein Raum mehr für Eigenes ist – noch durfte ich den Bezug zwischen gestern und heute zu sehr verwischen. Wie schnell machen wir Frauen uns doch vom „Außen“ abhängig: „Was würde Der / Die zu den Bildern sagen, zu meiner Interpretation, zu meiner Umsetzung…, ist der Rote Faden sichtbar, wo ist der Mehrwert, sind die Bilder überhaupt gut genug für einen Kalender ????“ Letzteres Problem kennt sicher jeder künstlerisch arbeitende Mensch, sobald er / sie die eigene Arbeit zeigen darf. Beim ersten bewussten Anschauen des fertigen Kalenders war ich sehr berührt von der sichtbaren Lust aller zwölf Frauen, sich zu zeigen, sich in ihre jeweilige “Patin“ hinein zu versetzen oder ihre eigenen Schlüsse zu ziehen, was Parallelen und Ähnlichkeiten betrifft. Jedes der Bilder zeigt eine andere Frau in all ihrer Stärke, mit all ihrem Mut, in ihrer Individualität.

Und genau das wollte ich – Vielen Dank Euch Frauen!

Pia Hamann

Gleichstellungsbeauftragte Stadt Chemnitz

Vergessene Frauen aus der Chemnitzer Geschichte – Schriftstellerinnen, Fotografinnen, Grafikerinnen, Malerinnen, Frauen aus der emanzipatorischen Frauenbewegung, Lehrerinnen, Politikerinnen, eben „Wegbereiterinnen“ – wieder mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, mithin sichtbar zu machen, ist uns in Chemnitz schon seit Jahren ein großes Anliegen. Ausgehend von der Tatsache, dass Frauen u. a. bei Benennungen von Straßen, Plätzen und Schulen gegenüber ihren männlichen „Kollegen“ den Kürzeren ziehen, haben Chemnitzer Frauen, allen voran die Lila Villa, zum 875jährigen Jubiläum der Stadt im Jahr 2018 den Film „Hurra, es ist ein Mädchen!“ in Auftrag gegeben, in welchem erstmals 25 Frauenportraits aus der Chemnitzer Geschichte zu sehen waren. Frauen, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen. Seither gab es mehrere Projekte zur Frauengeschichte, in diesem Jahr war es dann im Frauenzentrum eine Ausstellung mit 35 Chemnitzerinnen. Aber Viele sind noch immer „ungesehen“. In diesem Kalender werden nun zwölf historische Frauen von zwölf jungen Chemnitzerinnen, die gut vernetzt irgendwo in der Chemnitzer Szene unterwegs sind, vorgestellt. Zum ersten Mal sind z. B. Berta Hartmann und Hedwig Courts-Mahler dabei. Gedanken über eine Frau oder von einer Frau aus der Chemnitzer Vergangenheit werden durch die „heutigen“ Frauen kommentiert oder interpretiert. Dazu entstanden Fotos, die die heutige Frau jeweils in irgendeinem Brücken-Element mit der historischen „Patin“ zeigt. Das kann ein Ort sein, ein Accessoire oder auch „nur“ ein verbindender Gedanke. Der Kalender vermittelt Geschichte und Gegenwart gleichermaßen. Gemäß dem Kulturhauptstadtmotto „C the unseen“ werden hier zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die junge Chemnitzerin bekommt eine Möglichkeit, zu Wort und ins Bild zu kommen, gleichzeitig werden historische Frauen aus unserer Stadt sichtbar und erlebbar. Verbindung zwischen den Frauen war und ist gelebte weibliche Solidarität: im Hier und Jetzt, über Grenzen hinweg und bis in die Vergangenheit. Das ist in diesen Zeiten der kriegerischen Auseinandersetzungen und der kälter werdenden Welt notwendiger denn je. Denn vieles, was unsere Wegbereiterinnen für uns, die Nachgeborenen, erreicht haben, steht wieder auf dem Spiel. Sie haben sich für das Recht der Frauen auf ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben eingesetzt. Und genau das dürfen wir uns nie mehr nehmen lassen. Deshalb habe ich dieses Projekt gerne mitentwickelt und unterstützt. Der Kalender ist auch für mich eine Herzensangelegenheit.